Über Pina Ferreiro

Ich wurde 1969 im schönen Galicien in Spanien geboren und lebe mit meinem Ehemann Jörg Schlemmer und meiner großen Tierfamilie in der Eifel. Als Tierkommunikatorin und schamanische Heilerin widme ich mich seit nunmehr vielen Jahren leidenschaftlich dem Seelenheil von Menschen und Tieren.

Das Schreiben von Büchern war zugegebenermaßen nie mein Ansinnen, doch im Rahmen der Ausübung meiner Berufung ergab es sich fast wie von selbst. So sind drei Sachbücher entstanden, in denen die wundervollen Möglichkeiten dieser Hilfestellung auf eindrucksvolle Weise erläutert werden.

Mein viertes Buch, der Roman „Eine zauberhafte Mission“, empfinde ich wahrhaftig als ein weiteres Geschenk des Himmels, da es so unglaublich viele Lebensweisheiten auf nahezu selbstverständliche Weise offenbart. Daher wünsche ich Ihnen viele spannende Momente beim Lesen dieser außergewöhnlichen Geschichten und hoffe, dass sie Ihnen genauso viel Freude im Herzen bescheren, wie mir beim Schreiben.

Herzlichst,
Ihre Pina Ferreiro

Ihr neuestes Werk
"Eine zauberhafte Mission"

Fünf Familien, fünf Schicksale und fünf weise Tierseelen - als Sam von seinen Schülerinnen gerufen wird, hat er Bedenken, dass sie sich dieses Mal bei der Auswahl ihrer Aufgaben übernommen haben könnten.

Saphira, Josy, Blue, Amy und Luna strotzen voller Tatendrang und wollen ihrem Mentor beweisen, wie viel sie von ihm gelernt haben

Doch trotz aller Vorbereitung müssen sie wieder einmal erkennen, wie schwer es sich ihre Menschengefährten auf dem Weg zu einem glücklicheren Leben selbst machen.

Die fünf Freundinnen müssen in ihrer Hundegestalt immer wieder improvisieren und ihr eigenes irdisches Leben in Gefahr bringen, um ihre Missionen nicht scheitern zu lassen.

„Es gibt Begegnungen, die wir als Bereicherung empfinden. Doch auch solche, die uns wie eine schwere Lektion erscheinen, berühren unsere Seele nachhaltig.“

Pina Ferreiro

«Eine zauberhaftte Mission»von Pina Ferreiro

Auszug aus dem Kapitel „Schicksale“

»Kinder, Kinder, ich finde es großartig,

dass Ihr Euch sogleich auf die Ereignisse stürzen wollt, die in der Zukunft liegen, doch wir müssen erst einmal alle Eure Geschichten hören.


Denn nur durch Euer gemeinsames Wirken wird Saphira ihr Ziel mit Jasmin erreichen können. Jede von Euch hat ja ihre eigenen Aufgaben. Für sich selbst, ebenso wie für ihren Menschengefährten. Aber wie Ihr wisst, braucht Ihr Euch alle insbesondere bei der Arbeit auf der Erde auch gegenseitig. Genau deshalb sind wir heute hier zusammengekommen. Also lasst uns jetzt hören, was sich Josy vorgenommen hat.«


Ungeduld zählt schon seit jeher zu den wenigen Schwächen, die Josy besitzt. Auch jetzt brennt sie darauf, ihre Pläne preiszugeben und wedelt so aufgeregt mit ihrer Rute, dass man befürchten muss, die fellige Verlängerung könne sich durch den Schwung irgendwann vom Rumpf lösen.


Früher war sie jedes Mal verärgert gewesen, wenn Sam ihre Ungeduld damit bestraft hatte, dass er sie stets bis zuletzt hatte schmoren lassen.


Heute weiß sie, dass es keinesfalls als Strafe, sondern als Wegweiser gedacht war. Im Umgang mit Menschen muss sehr viel Geduld aufgebracht werden. Dass das mitunter ein schwieriges Unterfangen war, hatte Josy bald gelernt und den großen Wert von Sams Lektion schnell erkannt.


»Meine Reise wird mich zu Alina führen«, beginnt Josy, glücklich, schon an der Reihe zu sein. »Sie ist acht Jahre alt und müsste vor kindlicher Energie eigentlich nur so strotzen. Doch sie fühlt sich einsam und unverstanden. Auch wenn es vor allem um Alinas Seele geht, muss ich mit der ganzen Familie arbeiten. Eine entscheidende Figur in diesem Plan ist Alinas Mama Helena. Ich war in einer früheren Inkarnation schon mal bei ihr, als sie selbst noch ein kleines Mädchen war.


Damals war ich Joe, ein stattlicher dunkelbrauner Schäferhund, und wuchs mit ihr auf, als sei ich ihr großer Bruder, denn sie wurde geboren, als ich zwei Jahre alt war. Ich habe sie vom ersten Tag an beschützt und bewacht, so als sei sie das Kostbarste dieser Welt, denn genau das war sie für mich!«


Auch Josy lässt aus der Kristallkugel Licht erstrahlen, in dem sich nach und nach das Bild von der kleinen Helena zeigt, die vergnügt im Garten spielt. Ihr Schäferhund liegt ruhig neben ihr und beobachtet aufmerksam das Kind.


»Doch als ich älter wurde, bekam ich epileptische Anfälle, die immer häufiger auftraten und mich zunehmend orientierungslos machten. Zu dem Zeitpunkt war ich zehn Jahre alt. Und auch wenn ich immer darauf bedacht war, nicht in der Nähe der kleinen Helena zu sein, wenn die Blitze in meinem Kopf einsetzten, spürte ich, dass ihre Eltern sich mehr und mehr darum sorgten, dass ich in diesem Zustand doch mal zubeißen könnte. Ich hätte das niemals getan, verstand aber durchaus ihren Kummer.


Eines Tages stürzte ich während eines Anfalls die Treppe hinunter, als ich hastig aus Helenas Kinderzimmer flüchtete, um sie nicht in Gefahr zu bringen. Die Verletzungen waren so schlimm, dass in der Folge Lähmungen einsetzten, die mir von da an das Aufstehen schier unmöglich machten. Helenas Eltern trugen mich eine Zeit lang, ohne zu klagen, in den Garten, wenn ich mich lösen musste. Doch ich war, wie gesagt, recht groß und somit auch schwer.«


Josy lässt an dieser Stelle eine gewichtige Pause entstehen und zeigt diese bedeutsame Szene in der Lichtkugel. Alle ahnen, wie belastend diese Situation für Helena, aber auch für ihre Eltern gewesen sein muss. Außerdem ist es ihr wichtig, ihre Mitschülerinnen spüren zu lassen, dass sie bei sehr liebevollen Menschen gelebt hat und dies auch immer zu schätzen wusste. Insbesondere nach Saphiras Geschichte erscheint es ihr wichtig, diese wohltuende Erfahrung hervorzuheben.


»Eines Abends dann saßen Helenas Eltern im Wohnzimmer beisammen. Meine kleine Menschenfreundin schlief friedlich in ihrem Zimmer im Obergeschoss. Bis zu besagtem Sturz hatte ich jede einzelne Nacht seit Helenas Geburt über ihren Schlaf gewacht und ihr schöne Träume geschickt. Doch nun kam ich nicht mehr die Treppe hinauf und blieb daher im Erdgeschoss. Ich lag also ausgestreckt vor dem knisternden Kamin und lauschte dem Gespräch. Helenas Eltern unterhielten sich darüber, dass es besser sei, mich von meinem Leid erlösen zu lassen. Der Entschluss stand bereits fest. Es ging nur noch um die Frage, wie sie es Helena plausibel, aber dennoch schonend erklären könnten. Sie war erst acht Jahre alt und ich gehörte zu ihrem Leben wie die Luft zum Atmen. Beide wussten, dass dies ein schwerer Schritt für sie alle sein würde. Ich nahm auch wahr, dass sie selbst ebenso Angst vor diesem Abschied hatten. Ihre größte Sorge galt jedoch Helenas Wohlergehen. Mir ging es nicht anders, also schaute ich auf und blinzelte. Ich wollte sie wissen lassen, dass ich ihnen ganz und gar zustimmte. Bedauerlicherweise verstanden sie mich nicht und interpretierten meine Geste gänzlich falsch.


Helenas Mutter sprang auf, hockte sich zu mir und kraulte mich hinter den Ohren, während sie flüsterte: ›Mein Junge, wir kämpfen so lange, bis es wirklich nicht mehr geht! Versprochen!‹


Ich musste mir daher notgedrungen etwas einfallen lassen, damit sie den Mut aufbringen konnten, ihre längst gefällte Entscheidung umzusetzen.


Bereits am nächsten Tag sorgte ich dafür, dass sich Helenas Papa den Rücken verhob, als er mich in den Garten hinaustragen wollte.«
Als würde sich der ganze Tisch in ein magisches Tor zur irdischen Ebene verwandeln, blicken nun alle gebannt auf die längst vergangene Szene. Sie beobachten, wie sich Joe, kaum dass er von Helenas Vater hochgehoben wird, plötzlich hängen lässt, sodass sein Herrchen nachgreifen muss, um den Hund nicht fallen zu lassen. Der Schmerz, den diese abrupte Bewegung verursacht, steht ihm ins Gesicht geschrieben.****


Sam saugt geräuschvoll Luft ein. »Das war nicht ungefährlich, Josy, aber trotzdem sehr weise von Dir!«


Josy nickt ihm zu. »Ja, es war schlimm! Und obwohl er gequält aufschrie, hat er mich aber trotzdem nicht fallen lassen! Helena eilte sofort herbei, da sie aufgrund des qualvollen Schreies annahm, mir sei etwas zugestoßen. In seiner Verzweiflung und vor Schmerz gekrümmt stammelte ihr Vater, dass es so nicht mehr weitergehen könne und es wirklich besser sei, sie würden mich erlösen. Nun war es Helena, die auf markerschütternde Weise schrie. Ihr hättet diesen Schmerz in ihrem ›Nein!‹ fühlen müssen! Es war grausam!«


Josy schaut auf und bemerkt, wie ihre Freundinnen und auch ihr Lehrer betreten nicken. Jeder von ihnen kennt dieses Gefühl. Jeder von ihnen war schon mehr als ein Mal in derselben Situation.


Liebevolle Menschen tun sich unendlich schwer damit, etwas loszulassen, das ihr Herz berührt hat. Dafür zu sorgen, dass sie es schlussendlich doch tun, ist eine der schwierigsten Aufgaben für die Tiere überhaupt. Josy muss daran denken, wie sorgsam Sam ihnen beigebracht hatte, tiefstes Verständnis für die Menschen in ihrer Not zu entwickeln und im richtigen Moment beherzt zu handeln.


»Jedenfalls versuchte Helena auf herzzerreißende Art, ihre Eltern davon zu überzeugen, dass sie selbst mich von da an in den Garten bringen würde.


›Bitte, Ihr müsst Joe nicht mehr tragen. Ich kann das machen!‹, flehte Helena verzweifelt.


Ihr Vater wusste nur zu gut, dass es nicht gehen würde. Er nahm sie in den Arm und entgegnete liebevoll ›Mäuschen, Joe ist viel zu groß und zu schwer für Dich. Tut mir sehr leid, aber das schaffst Du wirklich nicht!‹


Helena wollte ihm nicht glauben. Es musste gehen. Doch als sie es entschlossen demonstrieren wollte, gelang es ihr natürlich nicht.


Ihre Eltern weinten ebenso wie Helena, denn obwohl es unumgänglich erschien, weigerte sich ihre Tochter beharrlich, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Dabei hingen sie an mir ebenso wie das Mädchen. Dennoch war ihnen bewusst, dass jeder Tag mehr nur unnötige Qualen für alle bedeutet hätte. Ich musste dringend handeln.


Also schaute ich die kleine Helena so an, wie ich es immer tat, wenn sie voller Trauer war, und erreichte damit sogleich ihr großmütiges Herz. Kurz darauf bat sie ihre Eltern, mich am Abend in ihr Zimmer hinaufzubringen, denn sie wolle die Nacht ganz allein mit mir verbringen. Sie stimmten sofort zu. Und so lag ich ein letztes Mal bei meiner geliebten Freundin, um mich in aller Ruhe und mit dem Versprechen auf ein Wiedersehen von ihr zu verabschieden.«


»War Helena dabei, als ... als ...«, fragt Luna zögerlich.


»Als man mich erlöst hat? Nein, nein, ich selbst habe in dieser letzten Nacht dafür gesorgt, dass sie es nicht wollte. Sie hat mich lebend in Erinnerung behalten, und das war auch gut so, denn sie hatte wahrlich schon genug ertragen, als sie einige meiner Anfälle hatte mit ansehen müssen.


Helenas Eltern sind ohne sie zum Tierarzt gefahren und haben es dort vollziehen lassen. Anschließend wurde ich eingeäschert und sie ließen ihre Tochter eine Urne aussuchen, die meine kleine Menschenschwester mit kunterbunten Schmetterlingen verzierte, sodass mein eingravierter Name dadurch spielerisch umrahmt wurde.


Jeden Abend, bevor sie zu Bett ging, küsste sie zärtlich die Urne und sagte: ›Schlaf gut, mein liebster Joe!‹ Und ich sorgte natürlich weiterhin für ruhige Nächte.«


Sam sieht sie voller Liebe an, denn nun begreift er, warum sie diese für sie eigentlich untypische kleine Gestalt gewählt hatte. Insbesondere die Aussage des Vaters, Joe sei zu groß und zu schwer, hatte sich bei Helena förmlich eingebrannt.


»Josy weiß«, denkt er zufrieden, »dass ein Hund von großer Statur bei Alinas Mutter keinerlei Chance haben würde. Wie weise von ihr!« Sam spürt, dass seine anfänglichen Zweifel langsam einem guten Gefühl von Zuversicht weichen.


»Und was hat das jetzt alles mit ihrer Tochter Alina zu tun?«, wirft Amy vorwitzig ein.


Josy grinst, als würde sie augenblicklich ihren Joker ausspielen, und erklärt es bereitwillig.


»Ich muss ein bisschen tricksen. Es war für Helena nämlich so überaus schrecklich, ihren vierbeinigen Bruder zu verlieren, dass sie nie wieder einen Hund haben wollte. Es fühlt sich selbst heute noch für sie wie ein Verrat an ihrem Joe an, wenn sie einen anderen Hund allein schon streichelt. Jeder, der sie heute kennenlernt und nichts von dieser Vorgeschichte weiß, würde annehmen, sie mag Hunde gar nicht.


In Wahrheit aber hat sie einfach nur unbeschreibliche Angst vor dem Verlust, der zwangsläufig mit der Entscheidung für einen neuen tierischen Begleiter einhergehen würde. Es ist ihre Tochter, die sich nach einem vierbeinigen Freund sehnen wird. Und somit werde ich nicht nur für Alina da sein, sondern gleichzeitig auch ihrer Mutter dabei helfen, die alte Wunde in ihrem Herzen endlich zu schließen!«


Eine wundersame Stimmung und Wärme erfüllt den gesamten Kristallpalast. Als würde das ganze Bauwerk Josy seinen Segen für ihre schwierige Aufgabe geben wollen.


»Lasst uns Alina doch einen Gruß senden«, sagt Sam. »Was meint Ihr?«


Ohne zu zögern, recken alle Hunde ihre Schnauze in die Luft. Sam ist der Erste, der mit seiner sonoren Stimme Töne in die Kuppel des Palastes schweben lässt. Als seien sie ein tierischer Chor, setzen die anderen nach und nach ein und werden Teil von Sams magischem Ruf.


In der wirklichen Welt wird Alinas Schlaf schlagartig ruhiger. Auf einmal erscheint vor ihr eine glitzernde Lichtung, auf der eine Gruppe von Hunden steht, die ihr mit vertrauten Blicken begegnen. Sie rufen sie zu sich auf die Lichtung und Alina rennt mit pochendem Herzen zu ihnen. Inmitten des Rudels sieht Alina einen weißen, mit goldenen Flecken betupften Hund, der die lustigsten Ohren besitzt, die sie je gesehen hat. Fast wie ein Schmetterling. Die Hunde stimmen ihr verzauberndes Lied an und fordern Alina auf mitzusingen.


[...]


Das gesamte Kapitel „Alina“


Helena Novotny sitzt am Bett ihrer Tochter Alina und streicht ihr eine goldene Strähne aus dem zarten Gesicht. Wie so oft schon muss sie auch jetzt ihr schlafendes Kind betrachten und feststellen, wie glücklich und besorgt man doch zugleich sein kann.


Es ist schon spät, doch ihre erstgeborene und pubertierende Tochter Nathalie lässt mal wieder nicht von ihrem Handy ab. Sowieso scheint ihr der elektronische Begleiter wichtiger zu sein als der Schlaf. Doch während bei anderen Kindern die schulischen Leistungen darunter leiden würden, gelingt ihrem Glückskind weiterhin alles wie selbstverständlich. Schlafmangel hin oder her. Schnelles Einschlafen gehört für Marcel, mit viereinhalb Jahren der jüngste Spross ihrer Familie, seitdem er den Kindergarten besucht, hingegen zum Tagesprogramm. Obwohl er sich innerlich wehrt, kann er abends nie lange die Augen offen halten, um noch fernzusehen oder zu spielen. Helena lächelt bei dem Gedanken daran, wie oft sie ihn schon völlig erschöpft ins Bett tragen musste.


»Alles ganz normal«, flüstert sie tonlos.


Nicht normal sind dagegen die Empfindungen, die Alina in ihr auslösen. Ihr mittleres Kind bereitet ihr den größten und ernstesten Kummer.


Als wolle ihre Tochter gegen diesen Gedanken protestieren, stöhnt sie leise im Schlaf. Helena streichelt dem Kind die fast durchscheinende Haut und ertappt sich bei dem Gedanken, dass ihre Tochter äußerlich so ätherisch aussieht, wie sie im Inneren tatsächlich zu sein scheint.


Unten fällt die Tür ins Schloss und gleich darauf hört sie auch das bekannte Geräusch, das durch das gesamte Haus ertönt, wenn ihr Mann Michael seine große, schwere Sporttasche auf die Fliesen plumpsen lässt. Früher hatte sie diese unnötig laute Ankündigung sogar gehasst. Seine übertriebenen sportlichen Aktivitäten hatte sie fast schon als Konkurrenz empfunden, so als hätte ihr diese unantastbare Geliebte die ohnehin spärlich gesäte Zweisamkeit mit ihm gestohlen. Doch dieses Gefühl war längst Vergangenheit. Vor beinahe vier Jahren rettete eben diese vermeintliche Gegnerin einer ihrer Töchter das Leben. Alina war beim Baden von einem Strudel im Meer erfasst worden und wäre beinahe ertrunken.


Obwohl sie selbst nur etwa zwei Meter von ihr entfernt gestanden hatte, war sie nicht in der Lage gewesen, etwas Sinnvolles oder gar Hilfreiches zu tun. Es war Michael, der sogleich die Gefahr erkannt und Alina dank seiner körperlichen Fitness aus dem tödlichen Sog hatte befreien können. Während sie selbst nur panisch geschrien hatte, war er mit dem leblosen Körper seiner Tochter an den Strand zurückgekehrt. Bei der Erinnerung an seine verzweifelten Versuche, das Kind wiederzubeleben, läuft ihr ein eiskalter Schauer über den Rücken. Sie wird niemals vergessen, wie es sich angefühlt hatte, als seine Anstrengungen nach scheinbar endlosen Minuten zu dem herbeigesehnten Röcheln führten. Nachdem sie ihre Tochter bereits tot geglaubt hatte, löste die einsetzende Atmung einen regelrechten Freudentaumel in ihr aus. In der Annahme, die Gefahr sei nun gebannt, hatte sie sich der Erleichterung vollkommen hingegeben und geglaubt, dass alles wieder gut werde. Die unbarmherzige Ernüchterung im Krankenhaus, als ihre Tochter das Bewusstsein verloren hatte, ähnelte einem Sturz in ungeahnte Tiefen, die ihr nicht weniger bedrohlich erschienen waren als der Strudel, in dem Alina beinahe ihr Leben verloren hatte.


Mit schwerem Herzen denkt sie an die Zeit, in der ihre Tochter im Koma gelegen hatte, an die Befürchtungen der Ärzte und auch an ihre eigene Angst vor bleibenden Schäden. Dass ihr Kind diesen schrecklichen Unfall überlebt hatte, war aber schon damals das Einzige, was wirklich gezählt hatte. Doch dieses Erlebnis hatte ihren kleinen Engel auf beängstigende Art und Weise verändert. Und ihre Sorge um Alina wurde Helena seitdem nicht mehr los.


Manchmal kommt es ihr so vor, als sei Alina gar nicht mehr richtig im Hier und Jetzt, so als lebe sie eigentlich in einer vollkommen anderen Welt. Sie fröstelt bei dieser Vorstellung. Ein einziges Mal, erinnert sich Helena – es war, kurz nachdem Alina aus dem Koma erwacht war – da hatte ihre Tochter mit merkwürdig entrücktem Blick von einer Begegnung berichtet, die sie in einem »Urlaub«, wie sie es genannt hatte, erlebt haben wollte. Sie hatte von einem fernen Land voller glänzender Paläste berichtet, umgeben von riesigen duftenden bunten Blumenwiesen, auf denen Elfen herumtanzten, und farbenprächtig von glitzernd fließenden Bächen gesprochen, aus denen schillernde Fische herausgesprungen sein sollten. Damals hatte sie angenommen, ihre Tochter würde fantasieren. Und in diesem Glauben hatte sie sogleich beruhigend auf sie eingeredet und versucht, dem offenbar verwirrten Kind klarzumachen, dass es viel Zeit zum Träumen gehabt habe.


Sie wird niemals diesen anklagenden wie zutiefst enttäuschten Ausdruck in den grasgrünen Augen ihrer Tochter vergessen. Bei der Erinnerung daran kommen ihr sofort wieder die Tränen. Irgendwann hatte sie die Gewissheit gepackt, dass Alina nur jemanden gebraucht hatte, der ihr zuhört. Jeder Versuch, von ihrer Tochter mehr über die Traumwelt zu erfahren, lief fortan ins Leere. Diese Tür blieb genauso verschlossen wie Alina selbst. »Heute würde ich achtsamer und in jedem Fall einfühlsamer darauf reagieren«, sinnt Helena still und beschämt nach. Sie fühlt förmlich die Schuld dafür auf ihrer Seele lasten, dass sich ihre Tochter seitdem in ihr eigenes Atlantis geflüchtet hat und nicht gefunden werden will.


Leise öffnet sich die Tür und Michael betritt schleichend den Raum. Er umschließt die Schultern seiner Frau und drückt sie sanft, denn er weiß, warum sie hier ist. Auch er versucht, den Teil in Alina zu erwecken, der nach dem Unfall scheinbar nicht mehr erwacht war. Und obwohl er alle drei Kinder aus tiefstem Herzen liebt und jederzeit sein eigenes Leben für sie opfern würde, ist es dennoch so, dass ihn mit Alina seit diesem verhängnisvollen Tag am Meer ein besonders starkes Gefühl verbindet.


Wenn Michael an diese schreckliche Erfahrung zurückdenkt, dann entsinnt er sich nur noch an die unbändige Angst, die er damals verspürt hatte, sobald er erkannt hatte, in welcher Gefahr sich seine Tochter befand. Diese unaussprechlich große Furcht ist ihm geblieben und sie sucht ihn immer noch in seinen Träumen heim. Sie lässt ihn jedes Mal aufs Neue schweißgebadet aus dem Schlaf hochschrecken und voller Panik zu ihr ins Zimmer stürzen, nur um sich zu vergewissern, dass seine Kleine überhaupt noch atmet.


Er betrachtet das schlafende Kind und fragt sich voller Sorge, ob er jemals wieder Ruhe finden würde. Alinas Unfall hatte ihn wie ein Fausthieb darauf aufmerksam gemacht, welche Gefahren überall auf seine Kinder lauerten. Trotzdem will er mit aller Macht alles Unheil von ihnen fernhalten, egal wie aussichtslos dieses Unterfangen ist. Er ist überzeugt davon, dass es seine Aufgabe als Mann und Vater ist, die Familie mit allen Mitteln zu schützen.


Er küsst seiner Frau zärtlich den Scheitel, bevor er sich rücksichtsvoll schweigend zurückzieht. Auch das gehört inzwischen zu ihrem allabendlichen Ritual. In eben diesem tiefen Respekt wissen beide, dass sie nicht allein sind mit ihren Sorgen, und so können sie einander Mut, Kraft und auch Halt spenden. Der Unfall hatte sie alle sehr verändert. Und auch wenn es anfangs gewisse Schwierigkeiten gegeben hatte, wissen sie heute beide, dass jeder von ihnen anders, eben auf seine ganz eigene Art mit dieser außergewöhnlich belastenden Erfahrung umgeht. Sie hatten lernen müssen, die Gefühle und Ängste des jeweils anderen wertfrei anzunehmen, um nicht als Paar an dem Kummer zugrunde zu gehen. Die schwere Zeit hatte ihre Beziehung auf gewisse Weise sogar nachhaltig gefestigt.


Michael sieht kurz nach seinem jüngsten Sprössling, während Helena noch ein wenig bei Alina bleibt und im Stillen ihrem unvergessenen Hund Joe dafür dankt, dass er nun auch über Alina wacht, so wie er es in ihrer Kindheit stets getan hatte. Obwohl sie es sich nicht logisch erklären kann, hat sie darüber absolute Gewissheit. Voller Liebe erinnert sie sich daran, wie er Nacht für Nacht neben ihrem Kinderbett gelegen und ihr so immer ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit vermittelt hatte. Ein schmerzvoller Stich durchfährt augenblicklich ihre Brust, als die alten Bilder von seinem körperlichen Zerfall und ihrer eigenen Unfähigkeit, ihm zu helfen, ganz unvermittelt in ihr auftauchen.


Ein einziges Mal hatte sie ihrem Mann von dieser tragischen Geschichte mit ihrem über alles geliebten Schäferhund berichtet und ihm sogleich das hochheilige Versprechen abgezwungen, das Thema niemals wieder anzusprechen. Reichte es doch, dass sie nach wie vor jeden Abend ihrem Joe eine gute Nacht wünschte und dabei immer noch einen unerträglichen Schmerz im Herzen spürte, so als habe er sie soeben erst verlassen und nicht schon vor einer halben Ewigkeit. Seine Urne stand gut verborgen im Keller, denn Helena wollte unter keinen Umständen von den Kindern dazu befragt werden. Ungeachtet dessen, brauchte sie dieses Gefäß nicht, um die besondere Liebe und Verbundenheit zu diesem Hund, der für sie wie ein großer Bruder war, weiterhin in sich zu spüren.


Sie will endlich das Nachtlicht ausknipsen und selbst schlafen gehen, da hört sie Alina plötzlich gickeln, so als würde sie im Traum gerade etwas verboten Lustiges erleben. Helena freut sich sehr darüber, denn nur noch selten sieht sie dieses verschlossene Kind so ausgelassen kichern wie in diesem kostbaren Augenblick. Und sowie sie Joe im Geiste erneut für seine Unterstützung dankt, hört sie ihre Tochter leise nach ihm rufen. Wie paralysiert starrt sie auf Alina, glaubt dann aber doch, sich verhört zu haben und verlässt aufgewühlt das Zimmer.


Die 6 zauberhaften Protagonisten

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